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Historische Dokumente und Autographen

Jenner, Gottlieb Abraham von - Helvetischer Aussenminister

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Brief vom 5. August 1802 aus Bern, vom Staatssekretär für die äusseren Angelegenheiten, Gottlieb Abraham von Jenner, an den Regierungsstatthalter des Kantons Thurgau (Joh. Ulrich Sauter). Inhalt siehe Transkription unten.

Hinweis für den Vorphilatelisten: Das Dokument hat auf der Adressseite den Stempel des Staatssekretärs des Aussenministerium «RELATIONS ÉXTERITEURES - REPUBLIQUE HELVETIQUE» (Grünewald*: Nr. 329, Seltenheitsgrad 9) sowie den Stempel des Zentralpostbüros (Grünewald*: Nr. 357b, Seltenheitsgrad 6). *Andreas Grünewald: «Die Helvetische Republik», Band IV Schriftenreihe Schweiz. Postgeschichte.

Transkription:

«BERN, 5. August 1802.

an den Regierungs-Stathalter des Kantons Thurgau.

Bürger Regierungs-Stathalter!

Ich habe die mir unterm 28. July lezthin eingesandte Bittschrift des Bürger Conrad Gamper von Hütlingen (Hüttlingen/TG), gewesener Sergent Major unter dem Regiment Steiner richtig erhalten.

Sie können dem Gamper die Versicherung geben, daß die von dem Comptoir de Commission besorgten Anforderungen aller Art zu Gunsten der helvetischen Militairs, von Seite der helvetischen Regierung bey der französischen ohne Unterlaß von unserm Minister in Paris kräftigst unterstüzt werden, auch die Hofnung eines baldigen günstigen Resultats da ist.

Gruß und Achtung!

B. Jenner»

Gottlieb Abraham von Jenner (*1765 - †1834) war ein bedeutender Berner Staatsmann. 1797 wurde er an die Spitze des Kriegskommissariates gestellt. Bereits damals war die Lage der Schweiz unter dem Einfluss des revolutionären Nachbarlands Frankreich und angesichts des zerrissenen inneren Zustand zwischen den Kantonen schwierig. Nach dem Einmarsch der Franzosen in die Schweiz, wurde Bern am 5. März 1798 durch den französischen General Balthasar Alexis Henri Antoine von Schauenburg zur Kapitulation gezwungen. Der Kriegskommissär Jenner musste den Sieger empfangen, wobei ein denkwürdiger Wortwechsel entstand. Durch kluges und festes Auftreten -worüber mancherlei Anekdoten entstanden- wußte Jenner sich bei den französischen Kommandierenden Achtung zu verschaffen und konnte seinem Vaterlande bedeutende Dienste erweisen. Der reiche Berner Staatsschatz wurde von den Eroberern zwar grösstenteils behändigt, doch konnte Jenner einen Teil der Plünderung entziehen und unter großen Schwierigkeiten retten. Das Vermögen der Stadt Bern war sehr bedeutend. Es bestand aus einer Anzahl von Schuldschriften (auf Frankreich, England, Österreich und eine ganze Reihe deutscher Staaten und Städte lautend) im Totalwert von ungefähr 18 Millionen franz. Livres und einem Barschatz von nahezu 8 Millionen. Am 7. März 1798 wurde das Gewölbe von den Franzosen versiegelt, aber schon zuvor, unmittelbar vor dem Einzug der Fremden, hatte Jenner etwa 2 Millionen bei Seite geschafft. Der französische Obergeneral Brune erhielt zwar Kenntnis davon, ehe das Geld in Sicherheit war, aber durch ein rechtzeitiges Opfer wußte Jenner den Rest dem Lande zu erhalten. Drei Millionen wurden in den ersten Tagen schon an General Bonaparte abgesandt und dienten zur Bestreitung der Kosten des ägyptischen Feldzugs. Ungefähr 1 Million fiel in die Hände der französischen Offiziere und Beamten (Brune, Reubel, Rapinat und Rouhière) und das übrige wurde für die Verpflegung der Besatzungstruppen verwendet. Später gelang es Jenner sogar einen Teil der Schuldscheine, die bereits nach Paris abgeführt worden waren, zurück zu gewinnen. In Paris, wohin sich Jenner bereits Ende März 1798 begab, war er in der Lage dem Lande weiterhin nützlich zu sein. Ohne offiziellen Auftrag oder amtliche Stellung, einzig durch sein ungewöhnliches diplomatisches Geschick, durch kluges Durchschauen der Verhältnisse und der Personen, und durch rasch entschlossenes Handeln erreichte er den Abschluß eines relativ günstigen Vertrags mit den französischen Behörden. Die den Schweizern auferlegt Last des Unterhaltes der französischen Truppen in der Schweiz und die den Privatpersonen auferlegten Kontributionen konnte er deutlich verringern. Die Vertragsänderungen waren für Bern eine deutliche Entlastung und der französische Kommissär in der Schweiz weigerte sich anfänglich diese anzuerkennen. Kaum nach Bern zurückgekehrt, wurde Jenner vom Direktorium der helvetischen Republik erneut nach Paris gesandt, um dort gemeinsam mit dem Solothurner Zeltner über die Bedingungen des von Frankreich erzwungenen Allianzvertrags zu verhandeln. Der Sieger diktierte, die Besiegten mussten sich fügen. Immerhin erreichten die Schweizer Gesandten unter denkbar ungünstigen Umständen in dem Traktat vom 27. August 1798 etwas vorteilhaftere Bestimmungen. Nach dem Tage des 18. Brumaire an 8 (9. November 1799; Staatsstreich von Napoléon Bonaparte) begab sich Jenner zum dritten Male nach Paris, um von der neuen Regierung eine Erleichterung der drückenden finanziellen Lasten und den Abschluß eines Handelsvertrags zu erwirken, von welchem die Schweiz eine Besserung ihrer ökonomischen Lage erhoffte; er kehrte indessen im Dezember 1799 zurück, ohne dass seine Mission Erfolg gehabt hätte.

1801 war er Mitinitiant des dritte Staatsstreich (27./28. Oktober 1801) und in 1802 bekleidete er für kurze Zeit das Amt des helvetischen Aussenministers. Zur Zeit der Mediationsverfassung (1803 bis 1813) wurde Jenner zum Mitglied des Kleinen Rates gewählt, und 1815 wurde ihm der äußerst schwierige Posten eines ersten Oberamtmanns zu Pruntrut anvertraut.

 

Grösse und Beschaffenheit des Dokuments: 35x22 cm, Papier.