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Historische Dokumente und Autographen

Keller, Xaver - Altschulheiss von Luzern + Mohr, Xaver - Staatsschreiber von Luzern

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SCHULTHEISS UND KLEINER RAT DER STADT UND REPUBLIK LUZERN. Schreiben m. U. von X. Keller (Franz Xaver Keller, *1772 - †1816), stellvertretender Schultheiß, und der Staatsschreiber X. Mohr an den französischen Botschafter in der Schweiz, den Grafen Auguste de Talleyrand. LUZERN, 9. September 1814.

Transkription:

«Stadtschultheiß und Kleiner Rat der Stadt und Republik Luzern, 

an Seine Exzellenz den Herrn Grafen Auguste de Talleyrand, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Frankreichs bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Exzellenz!

Die in Folge Ihres Briefes vom 4. dieses Monats angestellten Nachforschungen ergeben, dass die genannten Konrad Wili, Franz Wili und Vinzenz Rösli keine Anwerbung von der französischen Regierung erhalten haben. Aber, da sie sich verstümmelt haben, um sich dem Militärdienst zu entziehen, zu dem sie sich fürchteten nach den damaligen Gesetzen aufgrund einer gegen die Polizei begangenen Straftat verurteilt zu werden, wurden sie, um ein Exempel zu statuieren, sogleich nach Besancon abgeführt und von dort nach Toulon, von wo sie nach Korsika hinübergeschickt wurden, um dort in das 2. Bataillon der Kolonial-Pioniere eingegliedert zu werden.

Da die fraglichen Individuen also keine Anwerbung erhalten haben, erneuern wir gegenüber Euer Exzellenz die Bitte, sie Seiner Exzellenz dem Kriegsminister zu empfehlen, damit sie unverzüglich freigelassen werden.

Gestatten Sie die Versicherungen unser sehr vorzüglichen Hochachtung.

Luzern, den 9. September 1814.

In Abwesenheit des amtierenden Schultheißen,

der stellvertretende Schulheiß

X. Keller (manu propria)

Für den Rat, der Kanzler

X. Mohr»

KELLER Xaver (*1772 - †1816) machte eine steile politische Karriere, die mit der Wahl zum Schultheiss 1814 den Höhepunkt erreichte. 1816 «verunglückte» er in der Reuss. Sein geheimnisvoller Tod wurde 1825-1826 erneut gerichtlich untersucht, nachdem Klara Wendel 1825 im sog. Gaunerprozess ausgesagt hatte, dass Keller auf Anstiftung von kirchenfreundlichen Kreisen ermordet worden sei. In einem Aufsehen erregenden Prozess konnte dies jedoch nicht bestätigt werden und die beschuldigten Ratsherren Michael Leodegar Corragioni und Joseph Pfyffer von Heidegg wurden freigesprochen.

MOHR (Franz) Xaver (*1769 - †1817), war Luzerner Regierungsrat und Staatsschreiber. Die Familie Mohr gehörte zum Luzerner Patriziat und war regimentsfähig. 1484 wird der Weber Hans, genannt Rappenstein, im Burgerbuch erwähnt. Er wurde 1505 Grossrat und 1518 Kleinrat. Danach ist die Fam. mit Unterbrechung immer wieder im Kl. Rat vertreten und stellte 1696-1700 mit Rudolf einen Schultheissen. Mit zeitweise gleichzeitig zwei Grossräten und drei Kleinräten erreichte die Familie im 18. Jh. den Höhepunkt ihrer politischen Macht. Heiratsbeziehungen bestanden meist innerhalb des Luzerner Patriziats.

TALLEYRAND-Périgord, Auguste de (*1770 - †1832), kath., Franzose. Cousin des Charles-Maurice Talleyrand, langjähriger franz. Aussenminister. Auguste de Talleyrand war franz. Diplomat, bevollmächtigter Minister und ab 1808 ausserordentlicher Gesandter in der Eidgenossenschaft. Er sorgte wie sein Vorgänger Honoré Vial dafür, dass die Schweiz vom napoleonischen Frankreich abhängig blieb. 1809 verteidigte er die Interessen seines Landes bei den Grenzverletzungen und 1810 bei der Besetzung des Tessins durch franz. Truppen. Er überwachte die Einhaltung der Kontinentalsperre und die Umsetzung der strengen Zensur des napoleonischen Regimes. Seine Verhandlungen mit der Tagsatzung führten am 28.3.1812 zu einer neuen militärischen Kapitulation der Eidgenossenschaft. Als das Erste Kaiserreich zu wanken begann, bemühte sich T., die Schweiz auf der Seite Frankreichs zu behalten: Im Sept. und Okt. 1813 verlangte er mehrfach den Abzug der Truppen aus dem Tessin, später forderte er Napoleon auf, das Vertrauen der Schweizer durch Begünstigungen zu gewinnen. Nach seiner Verhaftung durch die Österreicher im Dez. 1813 wurde T. aus der Schweiz ausgewiesen. In der Restauration 1814 von Ludwig XVIII. wieder in seine Funktion eingesetzt, blieb T. während der Hundert Tage dem König treu und verharrte auf seinem Posten. 1815 wurde er Pair de France und rang den meisten Kantonen militärische Kapitulationen ab. Er vertrat die protektionistische Zollpolitik seiner Regierung gegenüber der Schweiz und zwang diese mithilfe seiner Amtskollegen der Hl. Allianz, die liberale Presse zu sanktionieren. Als er das Vertrauen des von Joseph de Villèle präsidierten Kabinetts verlor, wurde er im Juni 1823 zurückgerufen und durch Clément Edouard de Moustier ersetzt.

 

Grösse und Beschaffenheit des Dokuments: 36x23 cm, Papier.