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Historische Dokumente und Autographen

Wiegand, F. - Doktor, Militärarzt

Referenz: wiegand-f-doktor-militararzt
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WIEGAND, Dr. F. Militärarzt. Brief mit interessantem, sehr persönlichem Inhalt an GUILIANI, Hauptmann im Königlich Niederländischen SCHWEIZERREGIMENT VON SPRECHER Nr. 31 in Antwerpen. – Bergen op Zoom, 26. September 1820.

Transkription:

«Sr. Hochwohlgeboren

dem Herrn Guiliani, Hauptmann im Königlich Niederländischen Schweitzerregimente von Sprecher No. 31,

in Antwerpen.

Theuerster Guiliani !

Es ist nun beynahe ein Jahr, daß ich dein goldlächelndes Antlitz nicht erschaut, und meinen jungfräulichen Bart mit deinem alle Viere von sich streckenden Obristwachtmeisters z.. vermischet – deshalb lechzet auch mein Herz nach dem Honigseim, von welchem deine Lippen stets überfließen, so sehr, daß ich tausendmal lieber dich selbst an meine Brust drücken mögte, als daß du diesen, auf einen seit Jahr und Tag in meine camera litterarum aufbewahrten Lumpenkäsblatt ausgefertigten Brief statt meiner ansiehst. Kurzum, ich kann dir es nicht so ausdrücken, was ich fühle, wenn ich dir meinen Gruß auf die Lippen drücken were – die liebenden sagen gewöhnlich, es liegt mehr als Seligkeit darin, einen Kuß auf der Geliebten Wangen zu drücken – aber ich tausche dann doch mit keinem der Glücklichen; wenn ich einen guten lieben Freund umschlinge. Na, ich will nur mit diesem aufhören, sonst komme ich noch an die Sphären-Musik und s. w. statt allem Quark, der wie Liebeserklärung aussehen könnte, will ich dir sagen, daß ich mich glücklich schätzen will, wenn ich wieder einmal neben dir sitze. Da kömmt das Schicksal, und wirft mir wieder einen Stein in den Weg – Ich soll nun wieder einmal eine neue Art Leben führen – neue Erfahrungen machen etc. – Nun, wenn doch alle Steine des Anstoßes oder wie man sie noch nennen mag – Steine von 1100 Gulden wären – Ich wollte es manchem armen Teufel wünschen. Ich denke, der Herr will es so, und alles was der Herr thut, ist ja wohlgethan.

Man wird dir schon gesagt haben daß ich täglich mein Decret als ARZT 2 KLASSE auf dem WASSENAAR, LINIEN- u. zugleich ADMIRALSSCHIFF von 74 KANONEN, erwarte. Es liegt gegenwärtig in PORTE MAHON auf MINORCA, und wird den Nachrichten zufolge auch sein Winter- oder besser Regenzeit-Quartier dort halten. Ich werde durch ein Transportschiff, FLORA, in TEXEL liegend dahin gebracht werden, welches den 15ten dieses Monats in Dienst gestellt wurde; da es jedoch viele Sachen ins mittelländische Meer tranportiren muß, so wird es mit der Abfahrt nicht sehr eilen, und ich hoffe dann, noch 14 Tage – 3 Wochen das Glück genießen zu können, dem REGIMENTE anzugehören.

Du scheinst deine Feder immer im Apfel zu halten, sonst hätte sie gewiß schon lange einmal mit einem Kanonenfeuer salutirt. Denkst auch gar nicht an unser Häuflein, welches von Monat zu Monat abnimmt, und für lange Zeit nicht mehr zusammenkommen wird. Daß HAUSER, unser gute MÜLLER u. HASFLEY krank sind, wirst du schon lang wissen, daß sie aber alle mit starken Schritten der Genesung zueilen, kann ich dich versichern. Beide erstern litten an Catarrhalfieber u. lezterer an einer Augenentzündung, wodurch mir die alleinige Praxis beym Batailloun zufiel. Unter 65 in dem Krankensaal stationirten Kranken ist Gottlob! kein gefährlich Kranker mehr. Was noch mehr Neues ist, wirst du durch SCHULER, RAKNER u. Hn. Obristlt. SCHMITT erfahren. Nun noch eine kleine Bitte an dich, mein Lieber. 

Mein Aufpasser, eine treue ehrliche Seele aus dem GLARNERLAND will absolut mit mir – seine Anhänglichkeit an mich ist so groß, daß er gerne ...(?) machen will, wenn nur sein Wunsch, an meiner Seite zu bleiben, erfüllt werden könne, und ich selbst habe ihn so lieb gewonnen, daß er mir große Freude verursachen würde, wenn ich ihn mitnehmen könnte. Selbst wenn ich einstens ad Patriam gehen würde, würde ich ihn nicht von mir lassen. Habe nun die Güte, dich so von Ferne her zu erkundigen, auf welche Art und ob dies geschehen könne? Natürlich ohne meiner oder seiner zu erwähnen, ...(?) ich einem Regimente angehöre, welches meine ganze Achtung und Liebe hat, den Haß eines seiner Mitglieder zuziehen mögte – und dies würde doch geschehen, wenn es mancher wüßte, daß ich ein solches Project im Schilde führe. Kann es nicht seyn – dann tröste ihn der liebe Gott, und mich auch, wenns seyn muß. Adieu, lieber theurer Guiliani, schreibe mir bald, und grüße alle meine Herzensfreunde.

Dein F. Wiegand

N.B. Mein Aufpasser hat noch ein Jahr zu dienen.»

 

Grösse und Beschaffenheit des Dokuments: 20x16 cm, Papier, mit rotem Siegel und roter Poststempel BERGENOPZOOM, 3 pp. in-4.